"Es geht immer um Menschen"
Pädagogische Hochschule Burgenland, UNHCR Österreich, Katholisches Bildungswerk, Katholische Aktion und Pastoralamt luden zum theologischen Studientag "Flucht, Trauma und das Leben hier und jetzt" in das Haus St. Stephan nach Oberpullendorf
Sie flüchten vor Gewalt und Terror, Not und Zerstörung, tragen traumatische Erlebnisse mit sich und sind in Europa nicht selten mit Misstrauen und pauschalierenden Vorurteilen, ja mitunter mit Abneigung und Hass konfrontiert: "Wenn es um das öffentlich oft emotional besetzte Thema Flucht geht, sollten wir uns eines immer vor Augen halten: Es geht immer um Menschen und damit um das Gebot der Menschlichkeit", fasst Johann Artner vom Katholischen Bildungswerk der Diözese Eisenstadt den Grundtenor des Studientages "Flucht, Trauma und das Leben hier und jetzt" im Bildungshaus St. Stephan zusammen. Pädagogische Hochschule Burgenland, UNHCR Österreich, Katholisches Bildungswerk, Katholische Aktion und Pastoralamt haben die Tagung gemeinsam organisiert.
Vom Student zum Flüchtling: konkrete Menschen im Fokus
Der Student Emmanuel Mbolela hat nichts weiter getan, als an einer regierungskritischen Demonstration in der Demokratischen Republik Kongo teilzunehmen. Die Demonstration endete in einem Blutbad, verursacht durch das Militär. Mbolela musste fliehen, ohne Papiere und ständig mit der Angst vor Militär und Polizei – aus einem Land, in dem Menschenrechte nicht geachtet werden, in dem Folterungen, Misshandlungen bis zu Morden an der Zivilbevölkerung an der Tagesordnung stehen. Von 167 erfassten Ländern nimmt die Demokratische Republik Kongo Rang 162 auf dem Demokratieindex ein. Emmanuel Mbolela flüchtete durch Kongo-Brasaville, Kamerun, Nigeria, Benin, Burkina Faso, Mali, Algier und Marokko. Er kam nach Europa und lebt heute in den Niederlanden, wo er sich mit Hilfsjobs über Wasser hält.
Erfolgreiche Integration dank Zivilgesellschaft
Man müsse, so ein zentraler Aspekt der Studientagung "Flucht, Trauma und das Leben hier und jetzt", konkrete Schicksale ganz konkreter Menschen, deren Motive, Hintergründe und Leiderfahrungen in den Blick nehmen anstatt pauschalierende und damit immer auch erfahrungsfremde Allgemeinbehauptungen über Flucht und Migration zu verbreiten. Dabei seien geflüchtete Menschen mit zahlreichen Problemen und Schwierigkeiten in Europa konfrontiert, wie Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas der Erzdiözese Wien, betonte: "Die Hilfsbereitschaft aus dem Jahr 2015 ist Anfang 2016 umgeschlagen. Nun sind es Misstrauen, Neid und teilweise sogar Hass, der geflüchteten Menschen entgegenschlägt. Auch die Hilfe hat sich stark verändert. Von der Nothilfe wurde der Schwerpunkt auf Integration gelegt. Von den 88.340 Menschen, die im Jahre 2015 um Asyl angesucht haben, sind bereits 29,4 Prozent am Arbeitsmarkt angekommen. Ein Umstand, der nur dank der vielen Freiwilligeninitiativen ermöglicht wurde, die sich in ihrer Freizeit in Deutschkursen, Ausflügen und bei anderen Tätigkeiten um Geflüchtete kümmern", so Schwertner.
Tiefgreifende Traumata
"Heilsame Beziehungen“ nennt die Psychologin und Psychotherapeutin Barbara Preitler dies, wenn Menschen andere Menschen begleiten. Nur durch diese können traumatische Wunden von Menschen auf der Flucht geheilt werden. Die realen Ursachen der Flucht, etwa Krieg, Verfolgung und Gewalt, seien zugleich Ursachen für tiefgreifende Traumata, die durch die Trennung von der Familie, durch das Ausgeliefert-Sein an Schlepper, die Hilflosigkeit auf der Flucht und die Orientierungslosigkeit im Ankunftsland noch verstärkt werden. "Einfach ist weder das Leben in den Ursprungsländern noch die Flucht selbst", betont die Psychotherpeutin.
"Fake News" werden zu Lügen- und Hass-"Blasen"
"Fake News", als falsche Behauptungen, oft verbunden mit feindseligen, teils hasserfüllten Untergriffen, sind mittlerweile zu einem großen Problem in Sozialen Medien geworden. Marie-Claire Sowinetz vom UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR erläuterte auf der Tagung, wie solche "Fake News" zu "Blasen" werden und "Blasen", das heißt zu in sich geschlossenen ideologischen Weltanschauungen, die sich von realen Erfahrungen und evidenzbasiertem Wissen systematisch abschotten, befeuern. Solche "Fake News" betreffen etwa Falschbehauptungen zu Fluchtmotiven, zum Beispiel der Unterstellung, das Motiv vieler Geflüchteter sei das Sozialsystem in westeuropäischen Staaten. Dass in Ländern wie Syrien und Afghanistan Menschen tagtäglich ermordet, verfolgt und gefoltert werden, Krieg und Kriegsverbrechen ausgesetzt sind, wird von solchen "Fake News" gezielt ausgeklammert.
Bomben, Zerstörung, Tote – "Glaubt ihr, es geht mir ums Geld?"
Die auf der Tagung vorgestellte Initiative "Search Racism – Find Truth" stellt sich gegen gezielte Pauschalierungen, Unwahrheiten und gegen die Verbreitung von Lügen und Hass im Internet: "Mein Zuhause wurde bombardiert und komplett zerstört. Drei meiner Cousins wurden getötet. Glaubt ihr immer noch, es geht mir ums Geld?", so fragt Najlaa, aus Damaskus in einem YouTube-Video der Initiative "Search Racism - Find Truth". Es geht immer um Menschen.